Das Manifest
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Die Schweiz urbanisiert weiter – ob wir das wollen oder nicht. So muss weiterhin von einem relevanten Bevölkerungswachstum ausgegangen werden. Selbst wenn die Zuwanderung in Zukunft abnehmen sollte, steigt der Druck auf die Wirtschaftszentren. Hier finden Menschen Arbeit und Bildung. Hier sind attraktive Angebote an Versorgung, Kultur und Mobilität.
Das Ausbleiben einer Raumplanung, welche genügend Raumangebote in städtischen Zentren schafft, führt dazu, dass die Nachfrage nicht gedeckt wird, die Preise in den Städten explodieren und die Mobilität aus den Agglomerationen wächst.
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Stadtplanungen sind mit dem Aufkommen der individuellen Mobilität in Vergessenheit geraten. Das Primat lag bei der Verkehrsplanung, der Entmischung von Nutzungen durch Zonierungen und bei Bauvorschriften, welche die einzelne Parzelle in den Fokus nahmen, anstelle übergeordneter Strukturen und öffentlicher Räume. Entstanden sind Agglomerationen entlang landschaftsprägender Verkehrsinfrastrukturen, Aneinanderreihungen von autistischen Einzelbauten und monofunktionalen Zonen.
Stadtplanung zwingt zur Ausdifferenzierung von Stadt und Landschaft im Interesse des Natur- und Landschaftsschutzes. Darüber hinaus schafft sie auch Orientierung für die Ortsplanung ländlich geprägter Gemeinden.
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Innere Siedlungsentwicklung im Sinne des Raumplanungsgesetzes kann qualitätsvoll und nachhaltig nur erfolgen, wenn an bereits gut erschlossenen Orten relevant verdichtet wird. Nur durch hohe Nutzungsdichte können Stadtstrukturen im Sinne der 15-Minuten-Stadt entstehen, wo mit geringem Mobilitätsaufkommen die wesentlichen Bedürfnisse der Bevölkerung gedeckt werden.
Gute Stadtplanung widmet sich neben der Frage der Dichte insbesondere der Programmierung und Gestaltung der öffentlichen Räume, Strassen, Plätze, Parks etc.
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Heute verweigern sich Gemeinden und Kantone der Orts- und Stadtplanung weitgehend. Meist sind es privatwirtschaftliche Bauträger, die über Sondernutzungsplanungen Verdichtungen anstreben und mittels qualitätssichernder Verfahren innerhalb der Parzellengrenzen isolierte Stadtbausteine schaffen. Aufgrund zunehmender politischer und rechtlicher Risiken nimmt diese Bereitschaft ab.
Übergeordnete städtebauliche Planungen über Parzellen- und administrative Grenzen hinaus finden kaum statt. Kantone, Städte und Gemeinden müssen ihrer Verantwortung nachkommen und Stadtplanung betreiben.
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Der Zürcher Stadtrat Emil Klöti und Herrmann Herter, Teilnehmer am Wettbewerb Gross-Zürich von 1914 und späterer Stadtbaumeister, stehen stellvertretend für Persönlichkeiten, die die Stadtentwicklung Zürichs massgebend geprägt haben.
Erfolgreiche Politikerinnen, Kantons- und Stadtplaner wie sie sind nicht nur bereit und in der Lage, langfristige, über Legislaturen hinausreichende, strategische Planungen zu initiieren und umzusetzen. Sie fördern auch den notwendigen, demokratischen Dialog und setzen sich persönlich und engagiert für derartige Lösungen ein. Sie finden eine ausgewogene Balance zwischen Partizipation und Leadership.
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Konkurrenzverfahren mit interdisziplinären Teams fördern Erkenntnisse und Kompetenzen in der Siedlungs-, Orts- und Stadtplanung sowohl bei den Planenden als auch bei den Behörden. Darüber hinaus schaffen sie Verständnis und Einsichten bei der Bevölkerung und den verschiedenen Anspruchsgruppen.
Sie erzwingen den dringend notwendigen Diskurs über die Art und Weise innerer Siedlungsentwicklung insbesondere auch die Formulierung und Gegenüberstellung unterschiedlicher Anforderungen und Interessen.
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Städtebauliche Konkurrenzverfahren und Masterplanungen ermöglichen breit abgestützte Dialoge und fördern die Abwägung unterschiedlicher Interessen im politischen Diskurs. Sie bilden Grundlagen für die nachgelagerten behörden- und grundeigentümerverbindlichen Planungsinstrumente wie Sach- und Teilpläne, Baureglemente und Zonierungen mit Typologien, die heutigen und zukünftige Realitäten entsprechen. Sondernutzungsplanungen werden zur Ausnahme.
Ordentliche Baubewilligungsverfahren sind zu reduzieren auf die Fragen von Architektur, Nutzung und Erschliessung. Untergeordnete Themen, z.B. gesundheits- oder baupolizeilicher Natur sind im Rahmen der Baufreigaben zu prüfen.
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Planungsgewinne werden heute schon teilweise abgeschöpft über Grundstückgewinnsteuern, Unternehmenssteuern und Mehrwertabgaben. Diese müssen zweckgebunden auch für Planungsleistungen, insbesondere städtebauliche Konkurrenzverfahren und Masterplanungen verwendet werden. Förderprogramme wie beispielsweise die Agglomerationsprogramme sollten im ersten Schritt für Siedlungs- und Stadtplanungen verwendet werden und erst nachgelagert für Verkehrsplanungen und Infrastrukturbauten.
Forschung und Lehre müssen sich stärker den Themen Stadtplanung und Städtebau annehmen und unterstützt werden, z.B. über Nationale Forschungsprogramme (NFP).